Das chinesische Abenteuer. Tagebuch China 2012. Mihai Cotul

Fragment

 

Vor einem Jahr habe ich die ersten Schritte in die faszinierende Welt der TCM (traditionelle chinesische Medizin) unternommen. Angefangen hat alles mit einige TCM-Büchern aus dem Wunsch, auf meiner Art und Weise, die Kultur eines Volkes zu erkunden. Ich hätte nicht erahnen können, wo dieser Weg mich hinführt. Neugier, steckte mich langsam an. Weg vom Heimat, die ein paar Zeilen die ich Ihnen mitteile, sollen die Erinnerung an Dodo ehren, mein Vater, derjenige der meine Leidenschaft für die Medizin entfacht hat und mir sein Können mit so viel Liebe beibrachte; die Erinnerung an Mishu, mein Onkel, der mich als Kind mit Akupunktur behandelt hat und der mir sein Können und seine Leidenschaft weitergab.

Von den wenigen Büchern kam ich schließlich zum Akupunkturstudium nach Wien und von dort aus der Weg führte mich weiter nach China.

Ich bin in China am Zhongfang Red Cross International Hospital in Huaihua, Provinz Hunan (www.tcmtreatment.net ) angekommen. Verzweifelte Menschen aus aller Ecken der Welt, die die Hoffnung einer Genesung aufgegeben haben, füllen alle Krankenbetten des Spitals aus.

Das medizinische Team wird von Dr. Zhu Ming geleitet. In seiner Familie wird TCM von Generation, die Hunderte von Jahren zurückreicht, gelehrnt. Dr. Ming übersetzte auf Englisch das Buch, das auf der ganzen Welt berühmt geworden ist und den Stein zur Gründung der TCM darlegt, namens Huangdi Neijing („Buch des Gelben Kaisers zur Inneren Medizin“). Es ist die beste Version, die ich gelesen habe. Das Originalbuch ist irgendwann im Jahre 221 b.Ch erschienen. Es beinhaltet eine Zusammenstellung von Texten die die Gespräche des Gelben Kaisers mit seinen Ministern, Ärzten und Gelehrten umfasst.

Das allgemeine Thema der Diskussionen ist das Wissen um die Mechanismen die den menschlichen Körper regulieren, wie Krankheiten entstehen, wie Naturphänomene entstehen und man erklären kann, die Einflüsse die auf uns wirken aus der Perspektive der Ahnenbeobachtung und der philosophischen Konzepte. Huangdi Neijing wird an allen TCM Universitäten in China unterrichtet. Ohne das Buch gelesen zu haben, kann man kaum etwas über die Bedeutung der TCM entschlüsseln und erfahren.

Es war so schwierig, diese lang ersehnte Reise zur Erleuchtung zu organisieren, dass ich beschloss, ein Tagebuch zu schreiben. Er umfasst aus subjektiven Perspektive meine Erfahrungen. Diese Erfahrungen teile ich Ihnen mit.
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Ich dachte immer wieder darüber nach, warum diese Menschen die Kälte im Krankenhaus ertragen. Alle Angestellten gehen mit dicken Jacken herum, das ist mir aufgefallen, als ich zum ersten Mal das Gebäude betrat. Die Korridoren haben Glaswände an beiden Enden, die die ganze Nacht geöffnet bleiben, darum pfeift der Wind die Fluren entlang.

Sie tun es, um tonisch zu bleiben, an die Energien des Universums sich anzupassen, den Körper dauerhaft zu stärken, nach dem Prinzip, was mich nicht umbringt stärkt mich?. Während wir uns im Westen mit äußerer Hitze und Schutzschichten schützen, bringen die Chinesen den Körper bei Wärme (Yang) zu produzieren, um es vital zu erhalten.

Ich denke, es ist die erste Lektion, die ich aus China mitnehme!
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Ich beendete den ersten Unterricht und nutzte die Gelegentheit aus, als sie nicht wusten zur welchen Klasse sie mich einteilen sollen, um zu einem sehr erfolgreichen chinesichen TCM Arzt zu landen. Ich habe ihn einmal auf das Treppenhaus begegnet. Der Kollege aus Prag sprach mir über ihn. In seiner Unterrichtgruppe begegnete ich zwei andere Studenten, eine 60-jährige Dame aus den USA und ein junger Mann aus Nigeria. Vy (der Frauenarzt aus Chicago) kam ebenfalls neugierig, um zu sehen, wie sich so ein Unterricht abspielt. Ich war natürlich begeistert, dass Vy auch da war. In der Stunde ging es um Pulsdiagnose in der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin). Es ist offensichtlich ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Diagnosemittel. Der chinesiche TCM Arzt heist Dr. Peng, spricht komisch englisch, aber ist sehr geschickt uns die Grundlagen aufzuerklären und irgendwie haben wir es geschafft, uns zu verstehen. 

Von Anfang an erfüllte er meine Erwartungen, er schien sogar überrascht zu sein wie viel ich weiss. 

Die anderen waren weniger aktiv, ich konnte nicht herausfinden, wie viel Erfahrung zur Thema sie einbringen. Dr. Peng hat mich während des gesamten Kurses angeschaut, als wären nur wir beide im Saal. Mir ging es nur darum die Essenz dessen zu verstehen, was Pulsdiagnose bedeutet, der Rest 

die komplexen Aspekte, die es enthält, werden mit der Erfahrung kommen. Von der Erscheinung des Pulses an der Oberfläche oder in der Tiefe (Yang oder Yin), stark oder schwach 

(Aspekte des Qi, Fülle, Leere), schnell oder langsam (Hitze oder im Gegenteil Kälte im 

Körper), sein Charakter (fadenförmig, gleitend, kurz, lang usw.) kann man wichtige Hinweise gewinnen über die Entstehung, Lokalisation und Entwicklung der Krankheit und seine Mechanismen. Man kann herausfinden ob die Krankheit von Aussen oder aus der Innere ensteht, sich im Rhythmus der Jahreszeit bewegt oder sich versetzt, welchen Charakter sie hat, welche Lage sie einnimmt, welche Meridiane befahlen sind und somit sich einen therapeutischen Plan ausdenken:  welche Punkte man auswählt, welche Kräuter man geben soll, welche Entwickung zu erwarten ist und welcher Prognose man dem Patienten erteilen darf. 

Nur wenige beherrschen die Pulsdiagnose der TCM, die sind die meinst gefragten. Wer das nicht meistert oder beherscht verliert eine der wichtigsten Informationsquellen der TCM und stellt somit falsche Diagnosen und darum unvollständige, unwirksame oder falsche Therapien (ich sehe keinen Unterschied zu uns) erstellt.  Es ist die zweite Lektion, aus der ich was gelernt habe!. 
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Ich frage mich, warum er nur 4 Nadeln einsetzte. Der Patient hat starke Rückenschmerzen und noch dazu steife Muskulatur. Die Punkte, die er auswählte sind diejenigen, die segmental-reflex wirken (viszeromer, dermatomer) auf das Milz-Pankreas-Funktionssystem (mit Rolle in der

Verdauung und die Gewinnung von Qi aus der Nahrung) und dem Nierenfunktionskreis (mit Rolle in der Vitalität und die Regulierung der Körperflüssigkeiten). Die TCM besagt, dass die rechte Niere (= Mingmen = als Tor der Vitalität) uns Lebenskraft verleiht, während die linke Niere die Flüssigkeiten reguliert (indem es Urin ausscheidet, wie wir es auch aus der westlichen Medizin kennen gelernt haben).

Ich berufe mich absichtlich nicht auf den Begriff Organ, der Funktionskreis in der TCM ist ein komplexerer Begriff als das anatomische Organ.

Von der Hautebene, ein elektrischer Reiz wird durch die Nadel ausgelöst und fliesst entlang der afferenten Bahnen zum hinteren Markhorn,  wo es dann segmental-Reflex weitergeleitet wird an die Seitenhörner der Rückenmark (dadurch sind viszerale, vegetative Reaktionen ausgelöst) oder fliesst einfach weiter zu den Markvorderhörner wo er motorische Reaktionen auslöst. Die Antwort entsteht an der Höhe des Metameres oder überquert es  in den Stockwerken darüber oder darunter.

Die Diagnose lautet: Nieren und Milz Qi-Mangel, Stagnation von Qi und Blut. Die Stelle wo er sticht, passt genau zur Diagnose (B 23 Nieren Transport/Shu Punkt und B 25 Dickdarm Transport/Shu Punkt).  Er hat nur 4 Punkte ausgewählt, um den Patienten mit Qi Mangel nicht noch mehr zu schwächen.

Sobald der Körper durch die Wiederherstellung des betroffenen Funktionssystems wieder gestärkt wird, in dem Fall die Niere (mit einer Rolle bei der Aufrechterhaltung der Vitalität und Ausscheidung von Wasser), könnte man die Stimulation mit mehreren Nadeln ausprobieren. Wenn die Niere mehr Wasser ausscheidet, das als Kühlungsmittel dient, erwärmt sich der Körper aus dem Inneren auf. Und Wärme ist Energie, Qi, Lebenskraft. Es ist die 7. Lektion, die ich aus China mitnehme.
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Ich bin nur noch 1 Meridian von meinem Mindestziel entfernt. Ich habe mir vorgenommen, aus allen Bucher die wichtigsten Erkenntnisse aufzuschreiben. Eine titanische Aufgabe. Meine Notizen umfassen mehrere hunderte Seiten, ich bin mir aber sicher werden mir aushelfen bei meiner Akupunktur Prüfung im Wien.

Der letzte Meridian, wie im Leben auch wenn man Herausforderungen annimmt, ist der längste. Der Blasenmeridian hat 67 Punkte. Bis jetzt habe ich die ersten 11 Meridiane und 142 Punkte umfasst. Insgesamt haben die 14 Meridiane (12+2) etwa 361 Punkte. Die extra-Punkte liegen laut einigen Büchern bei etwa 1500, anderen zufolge nur bei etwa 50. Ein guter Akupunkteur kennt bis zu 200 Punkte die auf der Haupt-Meridiane liegen und etwa 20-30 Extrapunkte.

Wie viele Meridiane muss ich noch überqueren, bis ich nach Hause komme?
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Wien, Sonntag, 22. April 2012. Der letzte Tag der Reise 

Ich bin mit dem Sonnenaufgang aufgewacht. Ein wunderschöner Himmel mit halb aufgegangener Sonne. Während des Spaziergangs durch die Stadt wollte ich einen Kaffee. Ich betrat McDonald's, um einen doppelten Espresso mitzunehmen. Ich dachte, mein Kaffee sei ausreichend abgekühlt und nahm gleich einen guten Schluck. Der Kaffee, immer noch sehr heiß, verbrannte meine Zungenspitze. Ich merkte gleich eine starke Hitze, unmittelbar gefolgt von einer "Gänsehaut" auf Höhe der Wangen-Mitte, der sich am Vorderrand des Masseter-Muskels bis zum Ohr Tragus bewegte beidseits; dasselbe Gefühl vom Ellbogen, ulnar, am Oberarm ziehend auf beide Seiten. In der westlichen Medizin bedeutet dies Kampf und Flucht (die Reaktion des Körpers auf eine Aggression, Gefahr, unerwartetes Erscheinen). 

Der Impuls trat plötzlich auf, unerwartet von starker Intensität (Brennen auf der Zungenspitze) und verläufte präzise, reflex, im Bereich vegetativen Nervensystems, vermittelt durch die Nebennierenrinde mit Entladung von Adrenalin als Abwehrreaktion und als Folge das beschleunigen der Herzschläge und das auftreten von Muskelkontraktionen (um die Aggressionen zu beseitigen oder davonzulaufen). 

Meine Gedanken spielten gleich nach dem Prinzip der TCM: Zunächst assoziieren die Chinesen das Gefühl der Angst mit den Nieren. Des Zweiten, das Herz Meridian, hat zwei Nebenäste, eine, die es mit der Zunge verbindet (betrachtet als die Öffnung des Herzens nach außen) und eine zweite (einen internen Weg), der durch die Lunge verläuft. 

Die Lunge spielt eine Rolle beim Öffnen und Schließen der Poren und bei der Verteidigung des Körpers ("Gänsehaut"), ist dem Metallelement zugeordnet (das Schwert verteidigt uns).  Das Herz-Meridian (das Herz ist Yin) bildet ein Paar mit dem Dünndarm-Meridian (Yang). Der Dünndarm-Meridian beginnt am kleinen Finger und zieht entlang des Ulnarrandes über den Ellbogen hinaus (Dünndarm Punkt 8), zum Oberarm, Schulter und Nacken bis zur Mitte der Wange (Punkt Dünndarm 18 am Vorderrand des Massetermuskeln) und endet vor dem Ohr am Tragus (Dünndarm 19). Das klärte mir die Erscheinung auf. 

Die Verbrennung der Zungenspitze löste also eine Kettenreaktion aus. Durch den Reiz des Herzmeridians zog sich die Zunge zurück, durch die Stimulation der Lunge wurden die Poren geschlossen mit der Bildung einer „Gänsehaut“ (die Energie ging somit nicht nach außen verloren, sondern blieb der Abwehrreaktion erhalten). Die Lunge spielt eine Hauptrolle in der Verteilung des Qi im ganzen Körper. Durch den Dünndarm Meridian werden die Muskeln des Armes mit Qi versorgt, das sich durch das Zurückziehen des Armes auswirkt (Abwehrreaktion, Abstand nehmen, Flucht vor dem Angreifer). Wow!...: Woher wussten die Chinesen all das vor mehr als 2500 Jahren? 

Ich habe mein Abenteuer, das mich bis nach China führte, in Wien gestartet. Ich beschließe es hier, im wunderschönen Schloss Schönbrunn, zu beenden. Ich kehre wieder nach Hause! Na, dann... Servus!